Primaten

Primaten
Pri|ma|ten:
Pl. von Primas, 2Primat.

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I
Primaten
 
[spätlateinisch, zu Primas], Singular Primat der, -en, Primates, die Herrentiere.
 
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
 
 
Affen als Urahnen des Menschen
 
Ursprung der Menschheit
 
Australopithecinen: Frühe Menschheitsentwicklung
 
II
Primaten
 
(Primates, Herrentiere): Ordnung der Säugetiere, die Affen (etwa 185 Arten noch lebender Halbaffen, Tieraffen und Menschenaffen, das sind Gibbon, Orang-Utan, Gorilla, Schimpanse und Zwergschimpanse oder Bonobo) und den Menschen umfassend.
 
Anatomische Kennzeichen der Primaten sind eine sehr hoch stehende Gehirnentwicklung, vor allem des Großhirns, große, nach vorn gerichtete Augen, die in der Augenhöhle bewegt werden können und sehr gutes räumliches Sehen ermöglichen (Primaten sind ausgesprochene Augentiere), gut entwickelte Hände und Greiffüße (letztere nicht beim Menschen), zwei brustständige Milchdrüsen (bei den Affen nur während der Milchbildung, beim Menschen ab der Pubertät zeitlebens vorgewölbte Brüste) und ein in nicht erregtem Zustand frei herabhängendes männliches Glied, das sich bei Erregung (schon bei den Kindern) vergrößert und aufrichtet. Die Säuglinge sind Traglinge, wobei sich die Affenbabys am Fell der Mutter festhalten können. Beim menschlichen Säugling ist zwar der Klammerreflex noch vorhanden, aber die Kraft reicht nur für kurze Zeit aus und das Fell ist im Laufe der Evolution des Menschen verloren gegangen. In den meisten übrigen körperlichen Merkmalen und dem Verhalten sind die Primaten wenig spezialisiert, dafür aber außerordentlich neugierig, sehr lernfähig und flexibel.
 
Wegen der vielen anatomischen und physiologischen Gemeinsamkeiten stellen heute einige Zoologen den Gorilla, den Schimpansen, den Bonobo und den Menschen (Homo sapiens) in eine Familie, die Hominidae (»Afrikanische Menschenaffen und Menschen«); sie sind enger miteinander verwandt als mit den Tieraffen. Mit den Schimpansen hat der Mensch etwa 98 % gemeinsame Gene. Die beiden Entwicklungslinien haben sich nach heutiger Vorstellung entsprechend Fossilfunden in Afrika vor ungefähr 14 Millionen Jahren von den gemeinsamen Vorfahren getrennt.
 
Die vielen Gemeinsamkeiten im Verhalten zwischen Menschen und Menschenaffen und vielen Tieraffen, die durch Freilandforschungen seit den 1950er-Jahren immer deutlicher werden, beruhen auf dieser gemeinsamen Abstammung. Einige Beispiele: wenige angeborene »fertige« Verhaltensweisen, stattdessen muss jedes Individuum in seiner viele Jahre dauernden Kindheit und in der anschließenden mehrjährigen Zeit der Pubertät sehr viel lernen, so z. B. auch das soziale Verhalten, das Paarungsverhalten und die Jungenaufzucht. Alle Affen zeigen eine enge Mutter-Kind-Bindung bis zu ihrem Erwachsenwerden. Pubertierende Weibchen und Männchen und die Erwachsenen unterscheiden sich in ihrem Verhalten und entsprechen in erstaunlicher Weise dem menschlichen Rollenklischee. Nach der geschlechtlichen Reife wird die soziale Reife erst Jahre später erworben. Eine persönliche Vaterschaft gibt es nur beim Menschen. Es kommt aber vor, dass auch ein Affenmännchen ein verwaistes Junges adoptiert.
 
Vieles in dem differenzierten und komplexen sozialen und sexuellen Verhalten der Primaten kann man nur mit menschlichen Begriffen beschreiben. Zuneigung, Rivalität, Eifersucht und Aggressivität sind ausgeprägt. Von der gegenseitigen »sozialen Fellpflege« kann das Streicheln beim Menschen abgeleitet werden. Es gibt »moralanaloges« Verhalten, aber auch Übertretungen des Gruppenkodex nach dem Motto »sich nur nicht erwischen lassen«; Strafen, wenn ein Gruppenmitglied gegen Regeln verstoßen hat und taktisches Verhalten mit Austricksen, Verstellen, »Lügen« und »Betrügen«.
 
vor allem die Menschenaffen zeigen Sexualverhalten vom Küssen bis zur Paarung nicht nur zur Fortpflanzung, sondern eingebettet in soziale Funktionen, so z. B. im Tauschgeschäft, um Vorteile zu erlangen (Schutz, Futter). Bei den Schimpansen und noch stärker bei den Bonobos dient Sexualverhalten auch der Begrüßung und dem Aggressionsabbau, somit dem Einander-wohlgewogen-Sein und zur Befriedung in der ständig lebhaften, oft streitenden Gruppe. Auch gleichgeschlechtliche Betätigungen, sowohl bei Männchen als auch öfter noch bei Weibchen durch Anfassen und Aneinanderreiben sind häufig. Alle Menschenaffen paaren sich auch in Gesicht-zu-Gesicht-Stellungen, die Bonobos sogar vorwiegend so und in anderen spielerischen Stellungen. Dabei sind die Sexualkontakte bei Schimpansen und Bonobos häufig, aber immer nur von kurzer Dauer. Der Mensch ist allerdings der einzige Primat mit einem Schamgefühl und einer Intimsphäre, die sich spätestens ab der Pubertät entwickeln, und bei ihm spielt im Gegensatz zu den Affen der Geruch im Sexualverhalten nur noch eine untergeordnete Rolle.
 
Siehe auch: Gene, Körpergeruch, Vererbung.
 
III
Primaten
 
(Herrentiere): Ordnung bezüglich der Gehirnentwicklung hoch stehender, ansonsten jedoch wenig spezialisierter Säugetiere, die in den Unterordnungen Affen und Halbaffen zusammengefasst sind. Zu den rund 170 Arten der Primaten gehört auch der Mensch.
 
Von besonderem anthropologischem und psychologischem Interesse sind die Menschenaffen (Schimpanse, Bonobo, Gorilla und Orang-Utan), da sie die nächsten tierischen Verwandten des Menschen sind. Der Mensch stammt zwar nicht von ihnen ab, hat aber mit ihnen gemeinsame Vorfahren. Ihr relativ hoch entwickeltes Gehirn befähigt sie in gewisser Weise auch schon zur Lösung von Denkaufgaben und zum Werkzeuggebrauch.
 
Die geistig höchstentwickelten Menschenaffen sind der Schimpanse und der nah verwandte Bonobo (Zwergschimpanse). Sie können selbst relativ komplizierte Aufgaben offensichtlich allein durch Nachdenken lösen und sind trotz ihres anatomisch gering entwickelten Stimmapparats in begrenztem Umfang in der Lage, Wörter und deren Bedeutung zu erlernen. Außerdem sind sie fähig, Werkzeuge nicht nur zum Nahrungserwerb oder zur Abwehr von Feinden zu gebrauchen sondern diese auch selbst »herzustellen«, etwa durch Entfernen störender Zweige und Blätter von einem Ast, um ihn dann zum »Termitenfang« zu verwenden.
 

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Pri|ma|ten: Pl. von ↑Primas, 2Primat.

Universal-Lexikon. 2012.

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